Armut kontern durch Diskriminierungsfreiheit – Preisbegründung der Jury zum Marburger Leuchtfeuer 2013

Preisverleihung 2013

Hilde Rektorschek ist Preisträgerin des Marburger Leuchtfeuers 2013. (Foto: Jürgen Neitzel)

Mit dem Marburger Leuchtfeuer 2013 würdigt die Jury das Engagement von Hilde Rektorschek für sozial benachteiligte Menschen in gleich mehreren Bereichen. Insbesondere hat sie sich in herausragender Weise für das Menschenrecht auf Kultur eingesetzt. Mit der Gründung der „Kulturloge Marburg“ und der bundesweiten Verbreitung dieses Konzepts durch den Bundesverband „Deutsche Kulturloge“ hat sie einen diskriminierungsfreien Zugang zu Kultur ermöglicht, der vielen Menschen – nicht zuletzt Familien mit Kindern – im normalen Alltag verwehrt bleibt.

Rektorscheks Wirken bei der „Marburger Tafel“ und der „Kulturloge Marburg“ zeigt, dass das Menschenrecht auf Nahrung auch in der reichen Bundesrepublik offenbar ebenso wenig verwirklicht ist wie das Recht auf kulturelle Teilhabe. Die Preisträgerin hat diese offenkundige Misere erkannt und sich tatkräftig für Abhilfe eingesetzt. Wichtig war ihr dabei, die Unterstützungsleistungen nicht als Almosen zu gewähren, sondern diese Bürger- und Menschenrechte auch in der praktischen Umsetzung zu gewährleisten.

Die „Kulturgäste“ erhalten ihre Eintrittskarte an der Kasse bei Namensnennung wie jeder andere Vorbesteller auch. Aufnahme in den Kreis der Begünstigten erhält, wer von einer vertrauenswürdigen Organisation bei der Kulturloge angemeldet wird. Eine von Misstrauen geleitete Überprüfung anhand von amtlichen Bescheiden oder dergleichen lässt das von ihr durchgesetzte und bundesweit markenrechtlich geschützte Konzept der Kulturloge nicht zu.

Man stelle sich vor, wie peinlich es für alle Beteiligten wäre, bekämen durch Vorzeigepflicht eines HartzIV-Bescheides alle zufällig Anwesenden mit, dass jemand als Armutsbetroffener in der Warteschlange steht. Die ganz normalen Eintrittspreise zu vielen Kulturveranstaltungen können sich nur Normalverdiener leisten.

Rektorschek hat den Blick darauf gelenkt, dass Arme in Deutschland einen Schutz vor den Vorurteilen ihrer Mitbürger brauchen. Dieses Herangehen an die Verwirklichung fundamentaler Rechte in Ersatzvornahme für staatliches Versagen verdeutlicht nach Auffassung der Jury den Respekt der Preisträgerin vor der bedrohten Würde finanziell benachteiligter Menschen. Die unkomplizierte Ermöglichung der Teilhabe an der deutschen Kulturgesellschaft ohne die vielerorts übliche Diskriminierung der finanziell Ärmeren ist ein zentrales Anliegen von Hilde Rektorschek.

Auch an ihrem Arbeitsplatz in der Verwaltung der Philipps-Universität hat sie sich als Vertreterin der Beschäftigten in herausragender Weise für Arbeitnehmerrechte und das Recht auf Bildung eingesetzt. Ein Projekt mit Behinderten gehört ebenso zum umfangreichen Engagement der Preisträgerin des Marburger Leuchtfeuers 2013.

Mit Rektorschek würdigt die Jury eine Frau, die den gravierenden Mängeln staatlicher Sozialpolitik mit praktischem Handeln begegnet, ohne dieses Versagen zu kaschieren oder die Ersatzleistung mit Gängelei zu verbinden. Das Marburger Leuchtfeuer für Soziale Bürgerrechte zeichnet mit Hilde Rektorschek eine engagierte Kämpferin für die praktische Verwirklichung der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte (WSK) aus, zu deren Umsetzung sich die Bundesrepublik Deutschland nach internationalem Völkerrecht selbst verpflichtet hat.

Jürgen Neitzel für die Jury

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