Werner Koep-Kerstin: Grußwort des HU-Bundesvorsitzenden

Koep-Kerstin

Werner Koep-Kerstin

Der HU-Bundesvorsitzende Werner Koep-Kerstin aus Berlin hat bei der Leuchtfeuer-Preisverleihung am Dienstag (9. Juli) ein Grußwort gesprochen.

die Ausstrahlungskraft des „Marburger Leuchtfeuers für soziale Bürgerrechte“ der Humanistischen Union und des Magistrats der Stadt Marburg wirkt natürlich auch bis Berlin und in andere Regionen unserer Republik. Daher war es für mich und den Bundesvorstand der HU völlig klar, dass wir diese besondere Doppelehrung heute nicht aus der Ferne und nur mit einem schriftlichen Grußwort begleiten dürfen und wollen. Von der HU übermittele ich hiermit die herzlichsten Grüße und Glückwünsche an die Preisträgerinnen des Marburger Leuchtfeuers 2019, Frau Dr Kristina Hänel und Frau Ruby Hartbrich.
Freiheit und Selbstbestimmung sind für die HU die entscheidenden Koordinaten. Sie gelten für die zahlreichen Themen, mit denen wir uns befassen – sei es der Umgang mit persönlichen Daten, die Vorstellungen vom letzten Lebensweg , die Art und Weise der Wahrnehmung unserer sozialen Bürgerrechte und ganz besonders das Eintreten und die Solidarität für und mit Menschen in Not. Freiheit und Selbstbestimmung müssen in Anspruch genommen werden können. Es hilft kein Grund- oder Menschenrecht, wenn kalte Bürokraten oder Gerichte eine Entfaltung dieser Rechte behindern oder unmöglich machen. Oder ein gesellschaftliches Klima herrscht, das Respekt für gesellschaftlich benachteiligte Menschen und Menschen in Not vermissen lässt.
Sie, Frau Dr Hänel, sind in besonderer Weise in die Fallstricke des Strafrechtsparagraphen 219a geraten („Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft“).Sie haben sich gewehrt gegen die Unterstellung, sie leisteten keine Information, sondern Werbung für ihre ärztlichen Leistungen zum Schwangerschaftsabbruch. Dabei sollte es Normalität sein, dass Frauen das Recht haben müssen, vor einem solch belastenden Eingriff eine gute Praxis zu recherchieren und über legale Abtreibungsangebote von Ärzt*innen informiert zu werden.
Dazu müssen ÄrztInnen ihre Erfahrung und Methoden offen benennen dürfen. Ich darf daran erinnern, dass das Bundesverfassungsgericht schon 2002 festgestellt hatte: „Durch wahrheitsgemäße Angaben werden die Patient*innen bei der Suche nach fachlich kompetenten und für sie besonders geeigneten Ärztinnen unterstützt.“
Es sind insbesondere Abtreibungsgegner*innen, die sich selbst gern als Lebensschützer bezeichnen, die diese Strafnorm missbrauchen, um Ärzt*innen durch Anzeigenerstattung einzuschüchtern und zu kriminalisieren. Es ist bedauerlich, dass sich Staatsanwaltschaften in der Vergangenheit hierzu instrumentalisieren liessen. Durch Strafbefehle oder Anklagen sollen so über den Umweg des § 219a StGB legale Abtreibungen be- oder verhindert werden.
Sie, Frau Dr. Hänel, haben den Rechtsweg zur Revision des Urteils vom 24. November 2017 beschritten. Sie mußten vorige Woche zur Kenntnis nehmen, dass das Oberlandesgericht Frankfurt am MainIhren Fall rückverwiesen hat an das Landgericht Giessen, weil durch die Änderung des § 219a im Febr. 2019 die Erstverurteilung möglicherweise in neuem Licht erscheint. Sie haben in der Öffentlichkeit dafür gesorgt, dass dieses Relikt letztlich aus der Zeit des Kampfes gegen das Recht auf Abtreibung auch parlamentarisch auf den Prüfstand kam.
Die Forderung, das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche nach § 219a zu streichen, war da nur folgerichtig. Bereits das Landgericht Gießen äußerte Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit des Werbeverbots. Indirekt forderte es eine politische Entscheidung in der Sache.
Die Gerichte seien „in solchen Dingen überfordert“. „Sie müssen das Urteil tragen wie einen Ehrentitel in einem Kampf für ein besseres Gesetz.“ – so das Landgericht Giessen, das Ihrer Berufung allerdings nicht stattgegeben hat. Die jüngste Entscheidung verzögert Ihr eigentliches Ziel, den § 219a vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) beziehungsweise vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) überprüfen zu lassen.
Es war erfreulich, dass zahlreiche zivilgesellschatliche Organisationen Sie in diesem Widerstand unterstützt haben; ich nenne hier nur den Republikanischen AnwältInnenverein (RAV), die Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. (VdJ), die Gesellschaft für Freiheitsrechte oder auch die Internationale Liga für Menschenrechte.
Auch wir als HU haben versucht, einen kleinen Beitrag zu ihrem Kampf zu leisten. Wir haben auf unserer Webseite Namenslisten von Ärztinnen veröffentlicht, die über ihre Leistungen in diesem Bereich informieren.
Die heutige Preisverleihung gilt in gleicher Weise Ihrem persönlichen Engagement für die Interessen von Frauen ebenso wie der Verstärkung des politisch-gesellschaftlichen Signals, das möglichst auch das BVerfG erreichen soll, wenn es zur Prüfung des § 219a kommen sollte. Wir werden Sie auch weiterhin mit unseren Möglichkeiten unterstützen.
Zur Ehrung unserer zweiten Preisträgerin, Frau Ruby Hartbrich:
„Das Wesen des Rechts ist der Widerstand gegen das Unrecht.“ Das ist eines der Zitate von Fritz Bauer, einem Mitbegründer der Humanistischen Union, zum Widerstandsrecht, mit dem er sich immer wieder intensiv befasst hatte. Und ich meine, das trifft den Kern dessen, wofür Sie Frau Harbricht, heute geehrt werden. Sie sind gegen ein Unrecht katastrophalen Ausmasses angegangen.
Sie haben auf der Sea-Watch 3 geholfen, Tausenden von Schiffbrüchigen das Leben zu retten und sie medizinisch und anderweitig zu versorgen. Ihr Engagement war und ist ehrenamtlich. Sie als Seenotretter*innen sehen sich kriminalisiert von Politikern, die Sie zu Handlangern von Schlepperbanden erklären.
Die heutige Ehrung betrifft nicht nur Ihren mutigen Einsatz selbst, sondern auch die Tatsache, dass Sie in die Öffentlichkeit gegangen sind, um über die unmenschlichen Bedingungen der auf dem Mittelmeer in Not Geratenen zu berichten. Männer, Frauen, Schwangere, Säuglinge kämpfen völlig dehydriert, von der Sonne verbrannt und verzweifelt um ihr Leben. Oft liegt hinter ihnen die unmenschliche Behandlung in den Lybischen Lagern, wo gefoltert und vergewaltigt wird. Diese Menschen müssen fürchten, auch dorthin wieder zurückgebracht zu werden, wenn Seenotretter sie nicht in sichere Häfen bringen.
Die Kapitänin Carola Rackete der Sea Watch 3 hat Seerecht geltend gemacht gegen die ignorante und inhumane Haltung der italienischen Regierung zur Verweigerung der Aufnahme der aus Seenot Geretteten – obwohl eine italienische Richterin zugunsten der Kapitänin entschieden hatte. Zu recht stand der Fall tagelang im Zentrum der Berichterstattung. Ihre Ehrung heute soll dazu beitragen, dass der Scheinwerfer auch auf die gerichtet wird, die als Crew der Sea Watch für humanen Umgang mit in Not geratenen Menschen sich einsetzen.
Markanter als Sie, Frau Hartbrich kann man es nicht formulieren: „Es ist kein Verbrechen, Menschen zu retten, sondern eine Pflicht. Es ist ein Verbrechen, ihnen beim Ertrinken zuzugucken.“ Dies auch an die Adresse einer beschämend untätigen EU.
Werner Koep-Kerstin
Bundesvorsitzender der Humanistischen Union

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