Brot und Rosen für Dinnebier – Leuchtfeuer-Preisträgerin hat „Spuren hinterlassen“

Kaete Dinnebier

OB und Jury-Vertreterinnen überreichen der Preisträgerin das "Leuchtfeuer". (Foto: Dragen Pavlovic)

Für die würdevolle Auszeichnung einer noch viel würdevolleren Frau fand am Dienstag (3. Juli) im Historischen Saal des Marburger Rathauses eine bewegende Feierstunde statt. Bereits zum dritten Mal haben die Stadt Marburg und die Humanistische Union (HU) das Marburger Leuchtfeuer für Soziale Bürgerrechte verliehen. Die zusätzliche Perle auf der Schnur des Bürgerrechts-Preises ist Käte Dinnebier.

Die Auszeichnung will besonderes Engagement für Mitmenschen, Gleichberechtigung und Gerechtigkeit sowie Solidarität ins Öffentliche Bewusstsein rücken. Ausgewählt werden als Preisträger deswegen Menschen, die diese Werte leben und anderen Menschen damit oft eine Hilfe und ein Ansporn sind. Die bisherigen Preisträger waren im Jahr 2005 Ulrike Holler und im Jahr 2006 Prof. Dr. Friedhelm Hengsbach SJ.

Für 2007 hatte die Jury unter ihrer Sprecherin Gabi Hoppach Käte Dinnebier ausgewählt. Die 76-jährige Gewerkschafterin hat in ihrem Leben ein unermüdliches Engagement für beinah alle Lebensbereiche an den Tag gelegt. Sie hat Ungerechtigkeiten aufgespürt und ihre Stimme dagegen erhoben.

Im Rahmen der knapp zweistündigen Feier wurde ihr Einsatz aus den verschiedensten Blickwinkeln beleuchtet und vielstimmig gelobt. Verbunden mit dem „Marburger Leuchtfeuer“ bekam Dinnebier ein herzliches Dankeschön für ihren jahrzehntelangen Einsatz.

Anwesend waren neben Käte Dinnebiers Tochter Kirsten und ihrer Enkelin Laura viele Repräsentanten der Stadt, angeführt von Oberbürgermeister Egon Vaupel und Stadträtin Dr. Kerstin Weinbach. Eine Schar Bekannter, Freunde, Wegbegleiter und Gratulanten füllte den Historischen Saal fast bis auf den letzten Platz.

Den Auftakt gestalteten Prof. Dr. Holger Probst und PD Dr. Johannes M. Becker als Duo Grafitti musikalisch. Mit Gitarre, Kontrabass und ihren Stimmen begleiteten sie die gesamte Veranstaltung. Kritische Texte und schöne Melodien sorgten immer wieder für auflockernde Denkpausen.

Als erster wandte sich Vaupel mit seiner Begrüßung an die Versammelten. Er erinnerte sich an sein erstes Zusammentreffen mit der Preisträgerin im Jahr 1972. Damals war er gerade nach Marburg umgezogen und zum SPD-Ortsverein Richtsberg übergewechselt. Bei der Diskussion über eine Privatisierung der Wäscherei der städischen Stiftung Sankt Jakob habe er sich gegen diese Pläne ausgesprochen. Fortan sei er zu Dinnebiers Gefolgsleuten gezählt worden, obwohl er die damalige DGB-Kreisvorsitzende noch gar nicht persönlich kannte.

Auf den Oberbürgermeister folgte der HU-Ortsvorsitzende Franz-Josef Hanke. Der selbst sehr engagierte Bürgerrechtler betonte seine Wertschätzung für derartige Lebenswerke, wie Dinnebier eins vollbracht hat. Mit einigen Abschweifungen brachte er die Preisträgerin zum Schmunzeln.

Auch Pit Metz vom Kreisvorstand des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) Mittelhessen schloss sich dem Lob an. Er brachte es auf die kurze Formel: „Käte ist ein klasse Typ!“

Die Laudatio hielt Franziska Wiethold. Sie kennt Dinnebier aus den „Wilden Sechzigern“, in denen beide Seite an Seite für Veränderungen gekämpft haben. Mit ihrem Vorbild unternahm Wiethold eine kleine Reise in die bewegte Vergangenheit. Das frühere Verdi-Bundesvorstandsmitglied stellte heraus, dass Dínnebier auf ihrem Lebensweg nicht nur viel geleistet, sondern dabei vor allem auch Spuren hinterlassen hat.

Sie erinnerte sich an ein Verbot des DGB-Bundesvorstands, den Internationalen Frauentag am 8. März zu feiern. „Aufmüpfige“ Gewerkschafterinnen aus Hessen seien daraufhin dorthin gefahren, wo ein DGB-Kreis trotzdem feierte: nach Marburg!

Mit vielen Einzelaktionen habe Käte selbstbewußt die Stellung von Frauen im DGB aufgewertet, erinnerte sich Franziska Wiethold. Selbstkritisch und hoffnungsvoll gestand sie am Ende ein, dass man von ihr immer noch mehr hätte lernen können.

Doch nicht nur Lob war Thema der Veranstaltung. Auch sehr harte Kritik wurde geäußert. Allerdings richtete sie sich nicht gegen die Preisträgerin, sondern gegen den momentanen Zustand der Gesellschaft. Sowohl das Duo „Grafitti“ als auch sämtliche Redner und natürlich Dinnebier selbst äußerten ihre Besorgnis über Themen wie die Perspektivlosigkeit vieler Jugendlicher, die rasche Zunahme prekärer Arbeitsverhältnisse oder den schleichend ausufernden Neofaschismus.

So war diese Veranstaltung eine Gelegenheit, zumindest gedanklich das Aussteigen aus dem neoliberalen Hamster-Rad ins Auge zu fassen und – mehr noch – laut „nein“ zu ihm zu sagen.

Laut „nein“ zu unmenschlichen Zuständen in der Gesellschaft hat auch Käte Dinnebier gesagt. Und das nicht nur einmal, sondern ihr Leben lang.

Eine ihrer großen Gaben dabei war nach Wietholds Aussage, dass sie es trotz einer klaren politischen Linie geschafft hat, niemanden auszugrenzen. Stattdessen wurden Gruppen und Personen mit eigenen Anliegen und Ideen fruchtbringend in die Gewerkschaftsbewegung integriert. Daraus habe Dinnebier ihre Stärke gewonnen.

Und wie Gabi Hoppach in ihrer Rede zur Preisbegründung betonte, war es auch Dinnebiers persönliche Glaubwürdigkeit, die ihr so viel Anerkennung und Unterstützung und zuletzt schließlich auch Erfolg zukommen ließ.

Mit einem Laib Brot und einem Strauß Rosen übergaben Vaupel und Hoppach sowie das Jury-Mitglied Annette Krainhöfer der Preisträgerin abschließend die Urkunde zum „Marburger Leuchtfeuer“. Dazu erhielt sie auch ein in rot gehaltenes Bild der Marburger Künstlerin Maria Pohland namens „Bogen“, bevor sie ihre Dankesworte sprach.

Dinnebier zeigte sich sehr bewegt von den umfangreichen Glückwünschen. Sie ließ alle Anwesenden mit ein paar Erinnerungen noch einmal mit ihr in die Vergangenheit reisen.

Und damit man nicht denkt, Dinnebier würde jetzt die Füße hochlegen, sei gesagt, dass man die kleine große Frau auch weiterhin nicht nur dabei beobachten, sondern besser noch dabei unterstützen kann, wie sie sich beispielsweise für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns einsetzt.

Ihr Lieblingslied sang „Grafitti“ gemeinsam mit allen Festgästen zum Schluß. Es beinhaltet die Forderung zum Internationalen Frauentag: „Brot und Rosen“.

Anika Trebbin

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