Ottmar Miles-Paul hat am 3. Juni 2024 das „Marburger Leuchtfeuer“ erhalten. Jury-Sprecher Egon Vaupel trug die Preisbegründung vor.
Mit dem Marburger Leuchtfeuer würdigt die Jury den herausragenden Einsatz von Ottmar Miles-Paul für die selbstbestimmte Teilhabe behinderter Menschen an allen Bereichen gesellschaftlichen Lebens. Er gab den Anstoß zur Umbenennung der „Aktion Sorgenkind“ in „Aktion Mensch“ und zur Verankerung des Europäischen Protesttags zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen am 5. Mai. Er hat die Interessenvertretung Selbstbestimmt Leben (ISL) mitgegründet und ist von Beginn an ehrenamtlicher Redakteur der „kobinet-nachrichten“ zum Thema „Behinderungen“.
Ottmar Miles-Paul darf mit gutem Recht als Vater der deutschen Behindertenbewegung gelten, auch wenn er sich selber einmal als ihr Kind bezeichnet hat. In der Regel haben Bürgerbewegungen wie die Initiativen für ein selbstbestimmtes Leben von Menschen mit Behinderungen mehrere Mütter und Väter sowie zumeist auch Großeltern und Urgroßeltern. Doch zumindest einer der Väter der Bewegung für ein selbstbestimmtes Leben aller Menschen mit Behinderung in Deutschland und Europa ist Ottmar Miles-Paul.
1987 gründete er den Verein zur Förderung der Autonomie Behinderter (FaB) in Kassel. 1990 folgte die Gründung der bundesweiten Interessengemeinschaft für ein selbstbestimmtes Leben Behinderter (ISL). Am 5. Mai 1992 begingen Behinderte erstmals den „Europäischen Protesttag zur Gleichstellung Behinderter, den die ISL und das Europäische Netzwerk zur Selbstbestimmung Behinderter unter maßgeblicher Mitwirkung von Miles-Paul ausgerufen hatten.
1996 beteiligte sich Miles-Paul an der Aktion Grundgesetz. Ziel war ein Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das dem zuvor erkämpften Grundgesetzartikel 3 Absatz 3 Satz 2 „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“ in der Rechtspraxis verankern solltte. In der Folge setzte er sich auch für eine Namensänderung der damaligen „Aktion Sorgenkind“ ein, die seit 2000 den Namen „aktion Mensch trägt.
Ende der 90 er Jahre erfolgte unter seiner Mitwirkung die Gründung der „Kooperation Behinderter im Internet“ (KoBI) als europaweiter Zusammenschluss von Behinderten-Websites. Im August 2002 wurde daraus ein Verein, der seither die „kobinet-nachrichten“ als Informationsplattform über Behinderung und Sozialpolitik im Internet veröffentlicht. Von Anfang an war Ottmar Miles-Paul ehrenamtlicher Redakteur dieses Projekts.
Vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2012 fungierte Miles-Paul als Behindertenbeauftragter des Landes Rheinland-Pfalz. Danach kehrte er zurück in die außerparlamentarische Behindertenbewegung. Ab 2013 setzte er sich für ein Bundesteilhabegesetz ein, das 2016 dann auch erlassen wurde.
Wie kaum ein anderer Preisträger des Marburger Leuchtfeuers hat Ottmar Miles-Paul Geschichte geschrieben. Seine Erfolge legen beredtes Zeugnis davon ab, wie viel ein einziger Mensch in einem demokratischen Staat verändern kann. Dabei richtete sich sein Augenmerk vor allem auf die Rechte von Menschen mit Behinderungen, denen er stets Mut macht, ihre Rechte selbstbewusst und selbstbestimmt wahrzunehmen.
„Fortiter in Re, suaviter in Modo“ lautet ein Spruch des Jesuiten Claudio_Acquaviva. „Hart in der Sache, verbindlich im Ton“ ist auch der diesjährige Preisträger. Es ist geradezu ein Markenzeichen von Ottmar Miles-Paul, dass er immer glasklare Positionen bezieht, sie zugleich aber auch immer freundlich vermittelt.
Diese respektvolle Haltung sollte angesichts der grassierenden Verhärtung politischer Positionen in der Gesellschaft Schule machen. Mit ihr ist Ottmar Miles-Paul ein Vorbild und eine Ermutigung für alle, sich für ihre eigenen Rechte wie auch die der benachteiligten Mitmenschen einzusetzen. Deshalb verleiht die Jury Ottmar Miles-Paul das Marburger Leuchtfeuer für Soziale Bürgerrechte 2024 in Anerkennung seines herausragenden Engagements für die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen sowie sein jahrzehntelanges Eintreten für eine barrierefreie Demokratie.
* Egon Vaupel (Sprecher der Jury)
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