Inge Hannemann erhält das Marburger Leuchtfeuer 2015. Oberbürgermeister Egon Vaupel wird der „Hamburger Hartz-IV-Rebellin“ die undotierte Auszeichnung am Freitag (8. Mai) im Historischen Saal des Marburger Rathauses überreichen. Die Laudatio wird Prof. Dr. Stefan Selke von der Hochschule Furtwangen halten.
Breitere Bekanntheit erreichte Hannemann wegenihrer Weigerung, Bezieher von Hartz IV nach geringfügigen Regelverstößen mit Leistungseinschränkungen zu belegen. Die Mitarbeiterin eines Hamburger JobCenters berief sich dabei auf den Ermessensspielraum des Gesetzes und den verfassungsmäßigen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Androhung von Sanktionen könne nur das letzte Mittel sein, um Leistungsbezieher zur Einhaltung vorgegebener Regeln zu bewegen.
Für ihre Verweigerung einer Mithilfe an einem häufig unmenschlichen Sanktionsregime hat die Verwaltungsmitarbeiterin erhebliche berufliche und persönliche Nachteile in Kauf genommen. In ihrem Verhalten sieht die Jury „ein mutiges Zeichen persönlichen Engagements für die Sozialen Bürgerrechte gesellschaftlich benachteiligter Menschen“. Als Whistleblowerin zeige sie der Gesellschaft „eines Sozialen Rechtsstaats unwürdige Auswüchse der Hartz-Praxis“ auf.
Die Laudatio auf Hannemann wird der Prodekan der Fakultät „Gesundheit, Sicherheit, Gesellschaft“ der Hochschule Furtwangen halten. Am Vorabend der Preisverleihung wird Selke im Käte-Dinnebier-Saal des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) an der Bahnhofstraße unter dem Titel „Lifelogging und das Leben mit der digitalen Aura“ Streifzüge durch die Welt der digitalen Selbstvermessung unternehmen.
Hannemann ist bereits die elfte Preisträgerin des „Marburger Leuchtfeuers für Soziale Bürgerrechte“. Unter den bisherigen Leuchtfeuer-Preisträgern befinden sich Persönlichkeiten wie der katholische Sozialethiker Prof. Dr. Friedhelm Hengsbach SJ, der Devianzforscher Prof. Dr. Dr. Dr. Rolf Schwendter und der Psychiater Prof. Dr. Horst-Eberhard Richter sowie die Journalistin Ulrike Holler, die langjährige Marburger Gewerkschaftsvorsitzende Käte Dinnebier und die Behindertenpädagogin Sabrye Tenberken. Im Jubiläumsjahr 2014 ging die Auszeichnung an den Sozialpädagogen Dr. Ulrich Schneider vom Paritätischen Gesamtbberband in Berlin.
In Hannemann sieht die Jury eine würdige Fortführung dieser Tradition. Der Einsatz für die gleichberechtigte Teilhabe aller Menschen ohne Ansehen ihrer gesellschaftlichen oder wirtschaftlichen Stellung sei bei ihr gepaart mit Zivilcourage und der Bereitschaft, die eigene gesellschaftliche und berufliche Position notfalls dem Eintreten für ihre Überzeugung unterzuordnen. In dieser Grundhaltung sieht die Jury ein leuchtendes Vorbild für bürgerschaftliches Engagement zugunsten des im Grundgesetz verankerten Sozial- und Rechtsstaatsgebots.