Käte Dinnebiers langjähriges Wirken für Soziale Gerechtigkeit – Preisbegründung der Jury für das „marburger Leuchtfeuer“ 2007

Über mehr als drei Jahrzehnte hinweg hat Käte Dinnebier die Arbeit der Marburger Gewerkschaften maßgeblich geprägt. Die einstige Hilfsarbeiterin war von 1974 bis 1991 hauptamtliche Kreisvorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) in Marburg.

Nach dem Abschluß der sogenannten „Volksschule“ hatte Käte Dinnebier in einem holzverarbeitenden Betrieb angefangen. Mutig trat sie bald der Gewerkschaft „Holz, Textil und Kunststoff“ bei und gründete einen Betriebsrat.

Über ihre couragierte Tätigkeit als Betriebsratsvorsitzende hatte sie sich bald so viel Respekt erworben, dass sie 1961 in die hauptamtliche Gewerkschaftsarbeit übernommen wurde. 1974 wurde sie zur ersten weiblichen DGB-Kreisvorsitzenden in Hessen gewählt. Sie war bundesweit erst die dritte Frau an der Spitze eines DGB-Kreises überhaupt.

30 Jahre lang war Käte Dinnebier dann hauptamtlich für den DGB in Marburg tätig. Nach ihrem Eintritt in den Ruhestand im Jahr 1991 widmete sie sich der DGB-Senioren-Arbeit. Seither ist das Jahresprogramm der Marburger DGB-Senioren umfangreicher als das des DGB-Ortskartells.

Ihr gesamtes Leben lang hat sich Käte Dinnebier für die Gleichberechtigung und die Respektierung von Frauen im Arbeitsleben wie auch im Alltag eingesetzt. An ihre Tochter und ihre Enkeltochter hat sie diese Haltung weitergegeben: Neben einer umfangreichen Berufstätigkeit und ehrenamtlichem politischen und sozialen Engagement hat sie auch die Elternrolle voll ausgefüllt. Ihre persönliche Glaubwürdigkeit zeigt sich darin, dass ihre Tochter Kirsten als Betriebsrätin und SPD-Politikerin in die Fußstapfen ihrer Mutter getreten ist.

Neben Kätes Kampf für die Gleichberechtigung der Geschlechter standen auch menschenwürdige Arbeitsbedingungen und gerechte Löhne im Mittelpunkt ihres Interesses. Durchsetzungsstarke und vielfältig lebendige Gewerkschaften waren ihr ebenso ein Anliegen wie der Kampf gegen Arbeitslosigkeit. Sie trat ein gegen Lohn-Dumping und gegen eine Verpflichtung Erwerbsloser zur Zwangsarbeit. Der Spruch „Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen“ fand niemals ihre Zustimmung.

Ein weiteres wesentliches Tätigkeitsfeld war das Eintreten für Asylbewerber und ausländische Kolleginnen und Kollegen. Zudem wandte sie sich mehrfach gegen anstehende „Gesundheitsreformen“ und reale Renten-Kürzungen.

In zähen Verhandlungen hat sie überbetriebliche Ausbildungsmöglichkeiten für junge Menschen in Marburg durchgesetzt. Gegen Widerstände in den Gewerkschaften hat sie als einer der ersten DGB-Kreise die Gründung eines Erwerbslosen-Kreises im DGB Marburg durchgesetzt. Sie hat konsequent auch dafür gesorgt, dass der „Elo-Kreis“ finanzielle Voraussetzungen für seine Beratungsarbeit erhalten hat.

Zur Enthüllung eines Mahnmals zum Gedenken an die Kriegsdienstverweigerer und Deserteure des Zweiten Weltkriegs holte sie den damaligen DGB-Landesvorsitzenden Karl-Heinz Jungmann nach Marburg. Diese friedenspolitische Aktion der Marburger Geschichtswerkstatt war seinerzeit sehr umstritten. Durch ihre Unterstützung hat Käte Dinnebier die dauerhafte Aufstellung dieses Denkmals in Marburg überhaupt erst ermöglicht.

1993 war Käte Dinnebier Mitautorin von „Frauen in Marburg – ein Lauf- und Lesebuch“. Nicht zuletzt auch dank ihres persönlichen Einsatzes wird in Marburg seit Jahrzehnten nicht nur der 1. Mai als „Tag der Arbeit“, sondern eben auch der Internationale Frauentag am 8. März mit Vortrags- und Kulturveranstaltungen gefeiert. Denn auch die Gewerkschaftskultur war ihr ein Herzensanliegen.

Als persönliche Antwort auf eine Krebs-Erkrankung im Jahr 1995 hat Käte Dinnebier sich der „Frauen-Selbsthilfe gegen Krebs“ angeschlossen. Für diese Selbsthilfe-Organisation engagiert sie sich heute ebenso wie für die Gewerkschaft und die Sozialdemokratie. 1960 war sie der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD) beigetreten, in der sie trotz heftiger Kritik an der Schröderschen „Agenda“-Politik bis vor kurzem in verschiedensten kommunalpolitischen Funktionen aktiv war.

Der Respekt vor ihrer Arbeit hat Käte Dinnebier bei der Kommunalwahl im März 2001 von einem hinteren Listenplatz bei der SPD direkt ins Stadtparlament und dann weiter in den ehrenamtlichen Magistrat hineinkatapultiert. Dabei schnellte sie mit 30 übersprungenen Plätzen höher als alle anderen Bewerberinnen und Bewerber irgendeiner Partei oder Liste in ganz Hessen!

Als Marburger Erst-Unterzeichnerin hat Käte Dinnebier auch die Verfassungsklage gegen Studiengebühren unterstützt. Wann immer ihre Gesundheit es zulässt, nimmt sie auch heute noch an entsprechenden Demonstrationen teil.

Ihr persönliches Leitmotiv ist der Respekt und die Freundlichkeit gegenüber allen Mitmenschen. Beharrlich engagiert sie sich dafür, dass sich alle Menschen auf gleicher Augenhöhe miteinander für gerechtere Lebensbedingungen einsetzen. Mit ihrem herausragenden Engagement hat sie sich innerhalb und außerhalb der Gewerkschaften bundesweit und sogar international große Anerkennung und Sympathien erworben.

Mit der diesjährigen Preisträgerin würdigt die Jury ihr jahrzehntelanges Eintreten für gelebte Mitmenschlichkeit, für Gleichberechtigung, für Solidarität und für Soziale Gerechtigkeit. Durch ihren Lebenslauf hat Käte Dinnebier im Alltag vorgelebt, dass kein Mensch sich klein machen muss und dass es sich lohnt, für eine gerechtere Gesellschaft zu kämpfen.

Gabi Hoppach

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