Lutz Götzfried ist ein Leuchtfeuer im Turm – Preisbegründung der Jury

Egon Vaupel

Als Sprecher der Jury trug Egon Vaupl die Preisbegründung vor (Foto: Dragan Pavlovic)

Sinnstiftende Arbeit für Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen unter maßgeblicher Berücksichtigung ihrer individuellen Problemlage ist seit vielen Jahren ein Arbeitsschwerpunkt von Lutz Götzfried. Dabei verbindet er die Teilhabe am Arbeitsmarkt mit der behutsamen Stärkung des Selbstwertgefühls der Betroffenen und der Förderung von städtischer Kultur.

Ehrenamtlich leistet Lutz Götzfried seit 2003 diese Kulturarbeit mit seelisch erkrankten Menschen im Kaiser-Wilhelm-Turm. Der – von ihm mitgegründete – Verein „MOBilO e.V.“ hat sich zur Aufgabe gemacht, Arbeitsplätze für Menschen mit psychischer Behinderung zu schaffen, die auf dem ersten Arbeitsmarkt nur geringe Chancen haben. Dabei fühlt sich der Verein dem Prinzip der Selbsthilfe gegen Arbeitslosigkeit und soziale Isolation verpflichtet.

Mit dem Marburger Leuchtfeuer für Soziale Bürgerrechte würdigt die Jury diesen herausragenden Einsatz für Selbstbestimmung und berufliche Integration. Gerade in einer Gesellschaft, die rücksichtsloses Durchsetzen auch auf Kosten Anderer an die Stelle von Solidarität setzt, sind psychische Erkrankungen fast schon „normal“.

Der weithin vorherrschenden Leistungsideologie, bei der Menschen jeden Alters nur als „Humankapital“ gesehen und dementsprechend behandelt werden, setzt Lutz Götzfried eine – an den individuellen Bedürfnissen der Beschäftigten orientierte – Arbeitsumgebung entgegen. Das maßgeblich von ihm ins Leben gerufene Projekt unterstützt Betroffene dabei, ein selbstbestimmtes Leben inmitten der Gesellschaft zu führen, ohne sie dabei mit krank machenden Druck und unnötigen Zwängen zu belasten.

Mit Unterstützung zahlreicher Freiwilliger führt dieses Projekt Kultur und soziales Engagement für die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Beeinträchtigungen zusammen. Damit führt es die Teilnehmenden aus der Nische eines Sozialprojekts heraus in die Mitte der Gesellschaft. So übernehmen sie eine wichtige Funktion bei der Kulturvermittlung.

Im Gegensatz zu Einrichtungen, wo Menschen mit psychischen Krankheiten weggesperrt oder mit Medikamenten ruhiggestellt werden, will Götzfried sie dabei unterstützen, ihrem Leben durch anerkannte Arbeit für die Gesellschaft einen gesicherten Ausgangspunkt zu geben. Gemeinsam mit seiner Ehefrau Carin sorgt er sich um organisatorische und finanzielle Fragen ebenso wie um persönliche Probleme der Beteiligten am Projekt. Seine besondere Funktion besteht darüber hinaus in der Zusammenstellung eines – in Marburg und der Region populären – anspruchsvollen, abwechslungsreichen und unterhaltsamen Kulturprogramms.

In dieser Tätigkeit sieht die Jury ein Vorbild für herausragendes Engagement zugunsten sozial benachteiligter Menschen. Besonders herausheben möchte die Jury dabei die jahrelange Kontinuität dieser unbezahlten Arbeit trotz der organisatorischen und nicht zuletzt hohen seelischen Belastung, die diese Aufgabe bei ständig sich ändernden gesetzlichen Grundlagen und mit immer neuen finanziellen Vorgaben zweifellos mit sich bringt.

Dabei bleibt festzuhalten, dass durch die Arbeit von MOBiLo der Spiegelslustturm, wie ihn alle im Volksmund bezeichnen, aus dem Schattendasein herausgetreten ist und zu einem kulturellen Ausflugsziel mit hoher Aufenthaltsqualität für Jung und Alt wurde. Dafür möchte die Jury auch mit dem Preis danken und der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass die Arbeit für die Zukunft gesichert bleibt und als Leuchtfeuer weiterhin soziales und gerechtes Leben animiert und Beispiel gibt.

Egon Vaupel

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