Ottmar Miles-Paul hat am 3. Juni 2024 das „Marburger Leuchtfeuer“ erhalten. Die Stadt Marburg hat am Dienstag (4. Juni) eine Pressemitteilung darüber veröffentlicht.
Ottmar Miles-Paul setzt sich für die selbstbestimmte Teilhabe behinderter Menschen ein. Er gab unter anderem den Anstoß zur Umbenennung der „Aktion Sorgenkind“ in „Aktion Mensch“ und zur Verankerung des Europäischen Protesttags zur Gleichstellung von Menschen mit Behinderungen am 5. Mai. Für sein Engagement wurde er nun mit dem „Marburger Leuchtfeuer für soziale Bürgerrechte“ ausgezeichnet.
„Ottmar Miles-Paul hat mit seinem herausragenden Einsatz Geschichte geschrieben und das Leben für sehr viele Menschen verbessert. Er ist der Beweis dafür, wie viel ein einzelner Mensch in einem demokratischen Staat verändern kann“, so Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies bei der Preisverleihung. Die Universitätsstadt Marburg und die Humanistische Union haben Miles-Paul mit dem 20. Marburger Leuchtfeuer für dessen Engagement für die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen geehrt. „Er setzt sich auf besonders eindrucksvolle Weise dafür ein, unsere Welt gerechter zu machen – gerade, wenn es darum geht, Schranken im Kopf aufzubrechen“, betonte Spies.
Die Laudation bei der Preisverleihung hielt die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer. „Wir ehren heute einen Menschen, der unermüdlich soziale Bürgerrechte stärkt, der kraftvoll für gelebte Inklusion eintritt und dessen Optimismus kein Ende kennt. Ottmar Miles-Paul hat das Leben vieler Menschen zum Besseren gewendet und weiß, dass Empowerment und Mitbestimmung auf das Engste verbunden sind. Er erinnert uns mit seinem Wirken und seiner zuversichtlichen Grundhaltung daran, dass eine inklusive Gesellschaft eine bessere Gesellschaft ist“, so Dreyer. Zum Abschluss ihrer Laudatio richtete die Ministerpräsidentin noch persönliche Worte an den Preisträger: „Lieber Ottmar, Dein Leuchtfeuer hat eine helle, wegweisende Botschaft: Wir haben viele Zukunftschancen für eine inklusive Gesellschaft. Lasst sie uns nutzen und lasst uns Inklusion überall von Anfang an leben!“
Miles-Pauls Erfolge und sein Engagement sind vielfältig. Bekannt ist er etwa dafür, dass er nach dem Leitsatz „Nicht über Menschen, sondern mit Menschen“ arbeitet. Dabei richtete sich sein Augenmerk vor allem auf die Rechte von Menschen mit Behinderungen, denen er stets Mut macht, ihre Rechte selbstbewusst und selbstbestimmt wahrzunehmen. 1987 gründete er den Verein zur Förderung der Autonomie Behinderter (FaB) in Kassel. 1990 folgte die Gründung der bundesweiten Interessengemeinschaft für ein selbstbestimmtes Leben Behinderter (ISL). Am 5. Mai 1992 begingen Behinderte erstmals den „Europäischen Protesttag zur Gleichstellung Behinderter, den die ISL und das Europäische Netzwerk zur Selbstbestimmung Behinderter unter maßgeblicher Mitwirkung von Miles-Paul ausgerufen hatten
ISL-Sprecherin Prof. Dr. Sigrid Arnade bedankte sich während der Preisverleihung bei Miles-Paul für seine Arbeit für die Interessengemeinschaft und sein „uneitles, unfrustrierbares und unermüdliches Engagement“ mit dem er sich 1996 unter anderem an der Aktion Grundgesetz beteiligte. Ziel war ein Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG), das dem zuvor erkämpften Grundgesetzartikel 3 Absatz 3 Satz 2 „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“ in der Rechtspraxis verankern sollte. In der Folge setzte er sich auch für eine Namensänderung der damaligen „Aktion Sorgenkind“ ein, die seit 2000 den Namen „Aktion Mensch“ trägt. Um auf seine Themen aufmerksam zu machen, sei er auch mal in die Spree gesprungen oder habe eine Nacht angekettet am Reichstagsufer verbracht. „Danke, dass du ein nie verlöschendes Leuchtfeuer warst, bleibst und bist.“
Ende der 90er-Jahre erfolgte unter seiner Mitwirkung die Gründung der „Kooperation Behinderter im Internet“ (KoBI) als europaweiter Zusammenschluss von Behinderten-Websites. Im August 2002 wurde daraus ein Verein, der seither die „kobinet-nachrichten“ als Informationsplattform über Behinderung und Sozialpolitik im Internet veröffentlicht. Von Anfang an war Ottmar Miles-Paul ehrenamtlicher Redakteur dieses Projekts.
Vom 1. Januar 2008 bis zum 31. Dezember 2012 fungierte Miles-Paul als Behindertenbeauftragter des Landes Rheinland-Pfalz. Danach kehrte er zurück in die außerparlamentarische Behindertenbewegung. Ab 2013 setzte er sich für ein Bundesteilhabegesetz ein, das 2016 dann auch erlassen wurde. „Mit Behinderungen ist zu rechnen und es gibt noch viel zu tun“, so Miles-Paul, der damit deutlich macht, dass er sich noch weiter engagieren werde.
Egon Vaupel, Sprecher der Jury, die über die Auswahl des Preisträgers entscheidet, nannte Miles-Paul den „Vater der deutschen Behindertenbewegung“, der immer klar in der Sache aber zugleich freundlich und vermittelnd sei. Mit seiner respektvollen Haltung sei Ottmar Miles-Paul ein Vorbild und eine Ermutigung für alle, sich für ihre eigenen Rechte wie auch die der benachteiligten Mitmenschen einzusetzen. Deshalb verleiht die Jury Ottmar Miles-Paul das Marburger Leuchtfeuer für Soziale Bürgerrechte 2024 in Anerkennung seines herausragenden Engagements für die Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen sowie sein jahrzehntelanges Eintreten für eine barrierefreie Demokratie. Franz Josef Hanke, Vorsitzender der Humanistischen Union Marburg hob hervor: „Barrierefreie Demokratie würde ich als Etikett auf das schreiben, wofür du dich einsetzt.“ Er hoffe, dass die Auszeichnung für Miles-Paul auch den rund 100 Gästen Mut mache, sich noch stärker zu engagieren.
Miles-Paul selbst bezeichnete es als große Ehre, sich in die Preisträger*innen des Marburger Leuchtfeuers einreihen zu dürfen. Der Kasseler freute sich, in Marburg zu sein, wo er gelernt habe, sich „für den Frieden und Freiheit einzusetzen“. „Meine Familie hat mich gelehrt: Wenn man etwas erreichen will, dann geht das nur gemeinsam. Deshalb nehme ich das Leuchtfeuer gerne an und trage den Funken als Empowerment an viele Menschen weiter.“ Gleichzeitig appelliert er, weiter gemeinsam für Barrierefreiheit für Alle zu kämpfen, denn „das können wir nur mit vielen Verbündeten schaffen“.
Seit 2005 verleihen die Universitätsstadt Marburg und die Humanistische Union jährlich das „Marburger Leuchtfeuer für Soziale Bürgerrechte“. Die undotierte Auszeichnung soll den Einsatz für gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben würdigen und zum Engagement für benachteiligte Personen und Personengruppen ermutigen.
* pm: Universitätsstadt Marburg