Leuchtfeuer der religiösen Solidarität: Stadt verabschiedete sich von Amnon Orbach

Marburg hat sich von seinem Ehrenbürger Amnon Orbach verabschiedet. Der Träger des Marburger Leuchtfeuers 2022 war ein Brückenbauer der Religionen.
Er war ein Brückenbauer. Ein Streiter. Ein Friedenstifter. Einer, der immer verstehen wollte. Einer, der die Menschen liebte. Einer, der Marburg ein großes Geschenk hinterlassen hat. In einer Trauerfeier hat die Stadt am Sonntag (8. September) ihres verstorbenen Ehrenbürgers Amnon Orbach gedacht und sich verabschiedet. Mit der Familie, mit Vertreterinnen und Vertretern der Religionen, mit Freundinnen und Freunden hat die Universitätsstadt Marburg ihren – im August verstorbenen – Ehrenbürger gewürdigt. Bei der kleinen Trauerfeier im historischen Saal sprachen Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies, Orbachs Tochter Amit Adam-Doyle und weitere Weggefährt*innen darüber, was der Verstorbene für Marburg und die Menschen bedeutete, welche Lücke er hinterlässt – und welche Aufgabe.
„Wir nehmen Abschied von einem Mann, der unsere Stadt in einer ganz besonderen Weise geprägt und besser gemacht hat“, sagte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies während der Trauerfeier. Er erinnerte daran, dass Orbach 1930 mit seiner Zwillingsschwester Mina in Jerusalem geboren wurde, dass er in drei Kriegen kämpfte – und dass er später in Marburg Reisen für Abiturient*innen organisierte und sie mit gleichaltrigen Wehrpflichtigen in Israel zusammenbrachte. „Er hat, wie wenige andere, immer den Ausgleich, die Versöhnung und die Zusammenführung von Menschen über alles gestellt“, sagte Spies.
Die Liebe zu Hannelore Orbach war es, die Amnon Orbach 1982 nach Marburg brachte. „Ich glaube, dass er diese Liebe ein Stück weit auf die ganze Stadt ausgedehnt hat. Wie sonst könnte man erklären, mit welcher Kraft und Leidenschaft Amnon Orbach sich in Marburg für ein freundliches, herzliches Miteinander eingesetzt hat.“
Spies erinnerte daran, dass es Orbach war, der die jüdische Gemeinde in Marburg wieder aufbaute, der dafür sorgte, dass sie eine Synagoge am Pilgrimstein bekam und 2005 schließlich die neue Synagoge mit Kulturzentrum an der Liebigstraße. Darüber hinaus setzte er sich über alle Maße für den interreligiösen Dialog ein. „Amnon Orbach hat das gute Miteinander in unserer Stadt geprägt. Der Brückenbauer hat unsere Stadt besser gemacht“, sagte Spies. „Ein weiser, großer Mann ist von uns gegangen.“ Orbach hinterlasse eine Lücke, die schwer zu füllen sein wird.
„Er war ein Brückenbauer zwischen Kulturen und Gemeinden“, sagte auch Orbachs Tochter Amit Adam-Doyle, die aus England angereist war. „In seinem Herzen hatte jeder einen Platz. Es war ein Privileg, ihn kennen und lieben zu dürfen.“ Sie bezeichnete ihn als Macher, als jemanden, der die Menschen unabhängig von Religion oder Herkunft liebte, der überall Freunde hatte und der jeden prägte, der ihn traf.
„Amnon Orbach hat nach innen in seine Gemeinde und nach außen in die ganze Stadt gewirkt“, sagte Dr. Jacob Gutmark vom Vorstand des Landesverbands der Jüdischen Gemeinden in Hessen. Er bezeichnete den Verstorbenen als kreativ, optimistisch und feinfühlig. Als jemanden, der sich eingemischt hat, wenn es darum ging Missstände zu klären, Akzente zu setzen, Zivilcourage zu zeigen.
„Jedes Gemeindemitglied konnte jederzeit seine Probleme mit ihm besprechen; – und immer hat er unterstützt“, berichtete die Vorsitzende Polina Solovey von der Jüdischen Gemeinde Marburg. Sie erinnerte daran, dass Orbach immer gewollt habe, dass die Gemeinde für Kinder und Jugendliche attraktiv ist. „Ich sehe ihn noch in der Sonntagsschule sitzen – mit Bastelmaterial, die Kinder drängen sich um ihn herum und er hilft ihnen. Er erklärt ihnen, wie etwas entsteht“, ergänzte Gemeindemitglied Thorsten Schmermund.
„Die islamische Gemeinde hat Amnon Orbach viel zu verdanken“, sagte der Vorsitzende Dr. Bilal El-Zayat von der Islamischen Gemeinde Marburg. „Er hat uns beim Bau der Moschee unterstützt – es war auch seine Moschee. Er hörte gerne dem Imam beim Koranlesen zu, er liebte arabische Speisen und er war wissbegierig.“
Sein Freund – wie ein Vater für ihn und ein Großvater für seine Kinder – sei nun der Erde und dem Schöpfer zurückgegeben. „Er ist am besten Ort, den es gibt. Aber was heißt es für uns, die wir hiergeblieben sind?“, fragte er –
und rief dazu auf, die verbleibenden Tage mit guten Taten zu füllen; so wie Orbach, der immer im Dienst der Gemeinschaft gehandelt und somit positiven Einfluss auf die ganze Stadtgesellschaft genommen habe.
„Wir haben gemeinsam für Frieden und Gerechtigkeit für alle gebetet, wir haben gemeinsam darauf hingewirkt. Lasst uns in unserem Wirken nicht nachlassen. Jetzt erst recht“, forderte El-Zayat auf.
Auch Dekan Dr. Burkhard Freiherr von Dörnberg erinnerte an die spezielle Weise des verstorbenen Ehrenbürgers, das Herz zu öffnen und die Hand auszustrecken – und Frieden und Liebe wirken zu lassen. „Es ist ein Geschenk, das uns durch die Hände von Amnon Orbach gegeben wurde. Ein Geschenk, das wir pflegen müssen!“
Auch der Landtagsabgeordnete Sebastian Sack lobte den Verstorbenen: „Amnon Orbach war ein wahrhaftiger Streiter für Menschlichkeit und Gerechtigkeit. Er hat uns alle menschlich und geistlich geprägt.“ Der Vorsitzende der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit erinnerte an seinen „unendlichen Löwenmut, seine Kühnheit, seine Intelligenz, seine Menschlichkeit und seine theologische Tiefe, mit der er Lebensmut schöpfen und spenden konnte.“ Nun fehle sein Humor, sein Charme, sein Charisma, sein Lächeln, seine Art, Menschen mitzunehmen und zu tragen.
„Amnon wollte nie unersetzlich sein, sondern uns bewegen. Er hat uns geprägt und uns viele Bausteine an die Hand gegeben. Es ist nun unsere Aufgabe, damit weiterzubauen“, schloss er.
Den musikalischen Rahmen für eine würdige Trauerveranstaltung setzte das „Trio Santiago“. Schmermund und El-Zayat sprachen Gebete für den Verstorbenen, bevor sich die Gäste in ein Kondolenzbuch eintrugen und gemeinsam Erinnerungen über den Marburger Ehrenbürger Orbach austauschten.

* pm: Stadt Marburg