Der HU-Regionalvorsitzende Franz-Josef Hanke begrüßte am 14. Juni 2014 die Teilnehmenden an der Tagung „10 Jahre Marburger Leuchtfeuer“.
Ich freue mich, dass Sie alle den Weg hierher zur Tagung „10 Jahre Marburger Leuchtfeuer – zum Stand der Sozialen Bürgerrechte“ gefunden haben. Ganz besonders freue ich mich, dass die Leuchtfeuer-Preisträger Hilde Rektorschek, Dr. Bernhard Conrads und Prof. Dr. Friedhelm Hengsbach SJ heute unter uns sind. Außerdem danke ich Herrn Prof. Dr. Christoph Butterwegge dafür, dass er unsere Diskussionen mit seinen herausragenden Kenntnissen bereichern will.
Einen Verlust hat die Universitätsstadt Marburg am Donnerstagabend erlitten. Im Alter von 86 Jahren ist Dr. Reinfried Pohl verstorben.
Möglicherweise kennen die Auswärtigen ihn nicht. Die meisten Marburger indes werden ihn wohl kennen.
Pohl war der reichste Mann Marburgs. Mit der Deutschen Vermögensberatung (DVAG) hat er sich ein Milliardenvermögen erworben. Als Mäzen hat er der Stadt und der Philipps-Universität sowie den Bürgern Marburgs einen Teil davon wieder zurückgegeben.
All denen, die um ihn trauern, gilt mein ehrliches und tiefes Mitgefühl. Genauso gilt mein Mitgefühl aber auch denen, die unter den Arbeitsbedingungen im Strukturvertrieb der DVAG gelitten haben.
Insbesondere die Riester-Rente hat Pohl reich gemacht. Viele Menschen in diesem Land hat genau sie aber arm gemacht.
Damit sind wir auch schon beim Thema des heutigen Tages: Die ungerechte Verteilung von Armut und Reichtum in diesem Land ist in einer so extremen Form wie den mindesten 2,85 Milliarden Privatvermögen des Dr. Reinfried Pohl nicht hinnehmbar. Ein gerechter Spitzensteuersatz hätte vielleicht dazu geführt, dass er seinen beiden Söhnen und ihren Kindern nur eine Milliarde Euro hinterlassen hätte – immer noch genug für ein angenehmes Leben in Wohlstand!
Die Lebensleistung von Reinfried Pohl ist nichtsdestotrotz bewundernswert. Der Ehrenbürger der Stadt Marburg war ein Mensch mit Licht und Schatten wie wir alle.
Das gilt auch für die Preisträger des Marburger Leuchtfeuers. Selbstverständlich sind auch sie nicht nur Engel. Ohne die tatkräftige Unterstützung vieler anderer hätten sie ihre preisgekrönten Leistungen nicht vollbringen können.
Erinnern möchte ich hier an die drei Preisträger, die zwischenzeitlich von uns gegangen sind. Um sie trauere ich in der Gewissheit, dass ihre Spuren bleiben werden.
Im Sommer 2013 ist Prof. Dr. Rolf Schwendter verstorben. Ohne seine geistigen Vorarbeiten hätte es die Alternativbewegung und die selbstverwaltete Ökonomie der späten 70er und frühen 80er Jahre vielleicht ebenso wenig gegeben wie die „Irren-Offensive“ und die „Krüppel-Bewegung“. Dennoch war das Marburger Leuchtfeuer der einzige Preis, den er in seinem Leben je erhalten hat.
Ohne Prof. Dr. Horst-Eberhard Richter gäbe es vielleicht keine gemeindenahe psychosoziale Betreuung. Das Bundesverdienstkreuz hat er abgelehnt; das Leuchtfeuer hingegen hat er angenommen ebenso wie den Friedensnobelpreis für die IPPNW. Das ehrt uns!
Käte Dinnebier wird Oberbürgermeister Vaupel später – stellvertretend für die verstorbenen Preisträger – noch genauer würdigen. Darauf freue ich mich schon sehr. An dieser Stelle danke ich Ihnen, Herr Vaupel, auch dafür, dass Sie das Leuchtfeuer von Anfang an zu Ihrer Herzensangelegenheit gemacht haben.
Entschuldigen möchte ich heute die Preisträgerinnen Ulrike Holler, die sich in Italien befindet, und Sabriye Tenberken, die in Indien ihrer Arbeit für die Rechte behinderter Menschen in der sogenannten „Dritten Welt“ nachgeht. Entschuldigen möchte ich auch Katja Urbatsch, die heute einen anderen wichtigen Termin in ihrem Netzwerk ArbeiterKind.de wahrnehmen muss.
Das Marburger Leuchtfeuer, liebe Mitstreitende, ist eine Würdigung von Menschen für herausragenden Einsatz zugunsten der Rechte Benachteiligter. Nicht den Betrieb von Suppenküchen oder Tafeln wollen wir damit würdigen, sondern die Ermutigung und Unterstützung von Menschen, deren Rechte nur deshalb eingeschränkt oder missachtet werden, weil sie arm, behindert, obdachlos oder alt sind.
Der Kampf für Soziale Bürgerrechte ist das eigentliche Ziel des Leuchtfeuers. Die Preisverleihung ist ein Weg, dieses Ziel zu unterstützen.
Der Kampf für Soziale Bürgerrechte benötigt das Engagement vieler Menschen. Einigen herausragenden Mitstreitern verleihen wir in Anerkennung ihres Engagements diesen Preis. Erhalten haben sie ihn aber stellvertretend für Sie alle, die Sie für mehr Soziale Gerechtigkeit kämpfen.
Dieser Kampf ist nötiger denn je. Die vielfältigen „Baustellen“ wird die heutige Tagung sicherlich nur anreißen. Aber sie soll einen Diskurs darüber anregen, wie es weitergehen kann.
Dabei wünsche ich uns allen und Ihnen, liebe Referenten, viel Erfolg. Und damit solle es nun weitergehen: Debattieren wir nun über den Stand der Sozialen Bürgerrechte!
Grusswort von Franz-Josef Hanke zur Leuchtfeuer-Preisverleihung/a>