Er hat den ersten bundesweiten „Flashmob“ in Deutschland organisiert. Die Festgäste bei der Verleihung des Marburger Leuchtfeuers 2020 würdigten den Preisträger Stefan Diefenbach-Trommer mit einem „Flashmob“ im Historischen Saal des Marburger Renaissance-Rathauses.
Anschaulich berichtete Jutta Sundermann bei der Feierstunde am 9. Juli 2020 im Historischen Saal des Marburger rathauses vom ersten bundesweiten Flashmob gegen den Börsengang der Deutschen Bahn am 8. September 2007. Dhabe Diefenbach-Trommer „Bewegungsgeschichte geschrieben“, erklärte die ATTAC-Mitgründerin. Der damalige Bahn-Chef Hartmut Mehdorn habe auf die Frage nach dem Wort „Flashmob „“etwas launig zur Antwort“ gegeben, dass dafür Attac die Menschen im Land aufrufe, „Unruhe in Bahnhöfen zu stiften“.
In ihrer Laudatio erinnerte sichSundermann an viele gemeinsame Aktionen mit dem Leuchtfeuer-Preisträger beim globalisierungskritischen Netzwerk ATTAC, bei der Anti-Atom-Organisation „Ausgestrahlt“ und bei der Allianz „Sicherheit für politische Willensbildung“. Klar und deutlich zeigte sie die Folgen des Entzugs der Gemeinnützigkeit für betroffene Organisationen auf, die weit über ausbleibende Einnahmenwegen nicht absetzbarer Spenden hinausgehen. Auch bei der Gründung der Allianz „Rechtssicherheit für politische Willensbildung“ waren beide beteiligt.
Nachdem ATTAC 2014 mit dem drohenden Entzug der Gemeinnützigkeit konfrontiert war, gründeten zahlreiche gemeinnützige Organisationen der Zivilgesellschaft die „Allianz Rechtssicherheit für politische Willensbildung“. Diefenbach-Trommer wurde ihr erster Vorstand. Dden Zusammenschluss von inzwischen 175 Verbänden, Vereinen und Stiftungen leitet er bis heute.
Ihre Preisrede beendete Sundermann mit einem eindrucksvollen Dank an denPreisträger. Sie zeigte eine Uhr und rückte die Zeiger vor, bis alle dann auf ihre Aufforderunghin aufstanden und klatschten, trampelten oder pfiffen. Mehr Freude hat der Applaus für einen Preisträger selten verbreitet.
Per Video-Botschaft gratulierte auch die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheußer-Schnarrenberger Stefan Diefenbach-Trommer zum Marburger Leuchtfeuer für Soziale Bürgerrechte. Sie hob seinen Einsatz für gemeinnütziges Engagement als unverzichtbaren Beitrag zur demokratischen Willensbildung hervor.
Als „Demokrat im besten Sinne“ lobte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies den Leuchtfeuer-Preisträger. Bei erregten Debatten auf Facebook hole er die Auseinandersetzung immer wieder auf ein sachliches Niveau zurück. „Klug und bedacht“ setze er sich für eine Neuregelung der Gemeinnützigkeitskriterien im Vereinsrecht ein.
„das ist auch zwingend notwendig“, erklärte Spies in seinem Grußwort. „Es kann nicht sein, dass das globalisierungskritische Netzwerk Attac nicht als gemeingültig gilt, manch verschrobener Verein mit rechtsextremen Tendenzen aber schon. Hier wie überall ist der Staat gefragt unmissverständlich deutlich zu machen, dass er nicht nur nicht auf dem rechten Auge blind ist, sondern Kern jedes Diensteides auf das Grundgesetz lautet: Wir sind Antifaschisten!“
Ehrenamtliche Arbeit von Bürgerinnen und Bürgern als Bestandtteil sozialen und politischen Engagements ist nach Auffassung der Leuchtfeuer-Jury unerlässliche Grundlage einer lebendigen Demokratie. „Die Aberkennung der Gemeinnützigkeit von ATTAC und Campact trifft die demokratische Meinungsbildung ins Mark“, heißt es in der Preisbegründung. Geradezu perfide ist in den Augen der Jury der Umggang mit der Vereinigung der Verfolgen des Naziregimes (VVN/BdA), die nach dem Ende der Nazi-Diktatur als Zusammenschluss der Überlebenden der Shoa gegründet wurde.
Die weitreichende Festlegung politischer Ziele der Vereinsarbeit ist für die Jury deswegen wichtige Grundbedingung für eine Teilhabe von Menschen unterschiedlichster politischer Richtungen am demokratischen Leben. Diese Aussage in der Preisbegründung bekräftigte Jury-Sprecher Egon Vaupel anhand einer Anekdote aus seiner einstigen Tätigkeit als Finanzbeamter, der auch für die Prüfung der Gemeinnützigkeit der VVN/BdA Marburg zuständig war. Gerade auf den Besuch der VVN-Regionalvorsitzenden Eva Gottschaldt habe er sich das ganze Jahr über gefreut, erklärte der frühere Finanzbeamte und Marburger Oberbürgermeister voller Anerkennung für die Arbeit der verstorbenen Marburger Stadtverordneten.
Solidarität und „Empowerment“ waren die wichtigsten Beweggründe für die Humanistische Union, im Jahr2005 das Marburger Leuchtfeuer für Soziale Bürgerrechte ins Leben zu rufen.
Von Anfangan warenin der Jury immer Menschen vertreten, die selbst von Ausgrenzung durch den Leistungsbezug von Hartz IV oder durch eine Behinderung betroffen waren. Als Konsequenz der Auszeichnung der Ärztin Ruby Hartbrich für ihren Einsatz bei der Senotrettung im Mittelmeer haben die HU Marburg und die Jury bereits im Februar 2020 einstimmig Kalkidan Chane als achtes Mitglied in die Jury berufen. Mit ihr bezieht die HU eine geflüchtete Frau in die Entscheidungen der Jury ein, die gleich mehrere Diskriminierungserfahrungen machen musste als politisch engagierte Oppositionelle, als – in Bezug auf Bildungsweg und Beruf benachteiligte – Frau in Afrika, als Geflüchtete in Europa und als Person of Color.
In seinen Dankesworten richtete auch der Preisträger seine Aufmerksamkeit nicht nur auf Deutschland und Europa. Seine Arbeit bei der Allianz Rechtssicherheit für politische Wilensbildung finanziert zu bekommen, sei ein Privieleg, das viele andere weltweit nicht hätten. Diefenbach-Trommer nannte eine lange Liste seiner Vorbilder und schloss sie wie auch seine Familie und seine politischen Weggefährten in seinen Dank für das Marburger Leuchtfeuer mit ein.
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