Egon Vaupel: Preisbegründung der Jury

Egon Vaupel

Egon Vaupel in der Synagoge (Foto: Laura Schiller)

Amnon Orbach hat das „Marburger Leuchtfeuer“ 2022 erhalten. Jury-Sprecher Egon Vaupel hat bei der Feierstunde am 22. Mai in der Marburger Synagoge die Preisbegründung vorgetragen.
Mit dem „Marburger Leuchtfeuer für Soziale Bürgerrechte“ würdigt die Jury das Lebenswerk von Amnon Orbach im Eintreten für interkulturellen und interreligiösen Dialog und Respekt. Zugleich ehrt sie damit sein jahrzehntelanges Engagement gegen Antisemitismus und Rassismus sowie für jüdisches Leben in Marburg.
Orbach kam 1982 nach Marburg. Er gründete die Jüdische Gemeinde wieder neu und wurde deren Vorsitzender. Durch ihn bekam das jüdische Leben in der Universitätsstadt einen neuen Stellenwert.
Am Pilgrimstein gründete er die erste Synagoge in Marburg nach der Shoa. Auch die jetzige Synagoge an der Liebigstraße geht ganz maßgeblich auf seinen Einsatz zurück. Stark engagiert hat er sich für Jüdinnen und Juden, die in der Sowjetunion geboren wurden und in den 90er Jahren nach Marburg gekommen waren.
Sprachkurse und eine soziale Betreuung gehörten ebenso zu den Angeboten wie die Unterweisung in wichtigen Kenntnissen zum Judentum. All das hat Orbach angestoßen und organisiert. Dabei konnte er auch auf eigene Erfahrungen als Israeli zurückgreifen, der in das ihm fremde Marburg gekommen war.
Zudem hat Orbach sich herausragende Verdienste für den interreligiösen Dialog mit Christen und Muslimen erworben. Jahrzehntelang war er Mitglied der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit und wurde kurze Zeit später deren jüdischer Vorsitzender. Auch pflegte er gute Kontakte zur islamischen Gemeinde in Marburg.
Für seine Verdienste hat Amnon Orbach 1990 das Historische Stadtsiegel der Universitätsstadt Marburg erhalten, 2000 wurde er mit dem Verdienstkreuz am Bande der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet, zum 80. Geburtstag 2010 erhielt er die Medaille der Universitätsstadt Marburg.
Seit vielen Jahren ist Amnon Orbach das Gesicht der Jüdischen Gemeinde in Marburg. Sein entschiedenes Eintreten gegen jede Form von Rassismus und Antisemitismus sowie seine großherzige Bereitschaft zu einem unermüdlichen Engagement für seine neue Heimatstadt Marburg haben ihn zu einer moralischen Instanz gemacht, die als Ehrenbürger und Mitmensch allseitigen Respekt genießt.
Amnon Orbach hat die Marburger Gesellschaft beim Fertigstellen, beim Schreiben der letzten Buchstaben der neuen Torarolle voll eingebunden. So konnte nicht nur der Oberbürgermeister für die Stadtgesellschaft, sondern auch der Vorsitzende der muslimischen Gemeinde aktiv mit dabei sein. Dies hat es vorher in der Welt noch nie gegeben, wurde weltweit berichtet und ist zu entscheidenden Teilen Amnon Orbach zu verdanken.
Vor Allem seinem jahrzehntelangen Wirken ist es zu verdanken, dass jüdisches Leben und die Synagoge heute ebenso zu Marburg gehören, wie die Elisabethkirche und das Rathaus. Ohne Amnon Orbach wäre die Jüdische Gemeinde marburg heute nicht jener Leuchtturm interreligiöser Toleranz und humanitären Engagements, der sie seit Jahrzehnten bereits ist.
Seit wenigen Monaten besteht der Vorstand der Jüdischen Gemeinde Marburg ausschließlich aus Menschen russischer und ukrainischer Herkunft, die sich angesichts des Kriegs in der Ukraine derzeit gemeinsam für die Geflüchteten einsetzen. Dieses Engagement wäre ohne den jahrzehntelangen Einsatz von Amnon Orbach wahrscheinlich nicht möglich geworden. Als Israeli trotz der Shoa ins „Land der Täter“ zu ziehen und dort eine jüdische Gemeinde aufzubauen, bezeugt nach Überzeugung der Jury Orbachs Respekt vor allen Menschen ohne Ansehen ihrer Herkunft und sozialen Stellung und ist damit preiswürdig.

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